Meinung Lang lebe der Camcorder!

Lang lebe der Camcorder!

Verpassen Smartphones und filmende Fotoapparate der Gattung Camcorder den Todesstoß? Die Entscheidung liegt unserer Meinung nach in den Händen der Hersteller.

// 12:39 Di, 17. Sep 2013von

Sah man sich auf der IFA und IBC um und sprach mit Leuten aus der Branche, so wurde allernorts ein Abgesang auf den klassischen Camcorder angestimmt. Dies ist einerseits verwunderlich, denn mit alternativen Aufnahme-Geräte wird mehr gefilmt denn je. Die streckenweise unglaublich klingenden Statistiken von Youtube belegen dies unter anderem eindrucksvoll: Mittlerweile werden jede Minute (!!) über 72 Stunden Videomaterial zum dem beliebten Internet-Videodienst hochgeladen. Und das meiste in einer Qualität, die wirklich schauderhaft ist.



Doch eben hier scheint die Krux des Camcorder-Sterbens zu liegen. Denn vielen Uploadern scheint die Qualität ihrer Aufnahmen egal zu sein. Doch natürlich gibt es auch weiterhin viele Anwender, die mehr Qualität von ihren Videoaufnahmen erwarten, auch wenn diese aktuell in der YouTube-Trash-Masse kaum wahrnehmbar sind. Sei es, weil manche Filmer eben doch szenisch arbeiten, oder weil ihnen klar ist, dass beispielsweise Familienaufnahmen erst nach 10 Jahren oder mehr ihren wahren Wert entfalten. In der Zukunft wird man auf seinem 8K-Display jedes unmatschige und unverwackelte Detail aus unserer Zeit goutieren, dass die Smartphoneaufnhamen von heute eben nicht bieten können.



Natürlich gilt dennoch, dass die beste Kamera die ist, die man dabei hat und ohne Smartphones wäre das aktuelle Videoaufkommen im Internet bei weitem nicht so hoch. Doch es gibt sicherlich auch einige Handy-Spontanfilmer, die Geschmack an der Filmerei finden und dann doch nach mehr streben. Und hier können Camcorder auch heute noch echte Vorteile in die Waagschale werfen, die nur gelegentlich in Vergessenheit zu geraten scheinen.



Die Rolling-Shutter-Korrektur ist hierfür ein gutes Beispiel. Auch im Jahre 2013 bieten die meisten Smartphones wie auch filmende Knipsen nach wie vor ein unsägliches Wobbeln und Biegen im Videobild, das praktisch jede Aufnahme aus der Hand unansehnlich macht. In Sachen Bildstabilisierung sind selbst Einsteiger-Camcorder den artfremden Genossen in der Regel deutlich überlegen. Per Zoomwippe bequem bedienbare und qualitativ hochwertige Zoom-Optiken gepaart mit ausklappbaren Displays machen eine bewusste Motiv-Auswahl vor Ort erst möglich. Dazu ermöglicht die bewährte Haptik mit Trageschlaufe und echten Tasten in der Regel die volle Konzentration auf das Bild, ohne von der Bedienung abgelenkt zu werden.



Ebenso im Bereich Low-Light/Lichtstärke sowie bei der Moire-freiheit haben aktuelle Camcorder eine Qualität erreicht, die Smartphones noch bei weitem nicht bieten. Dazu haben sich die Preise für Camcorder mit sehr guter Bildqualität sich in den letzten Jahren höchst erfreulich entwickelt.



Schon eine Panasonic HC-V727 bietet zu Internetpreisen knapp über 400 Euro bereits eine Bildqualität, die mit vielen Full-HD- Profigeräten konkurrieren kann. Und das sogar bei weitgehend manueller Kontrolle.



Kurz gesagt, es gibt noch viele Gründe und Anwendungsfelder, die für einen Camcorder sprechen. Doch scheinbar kommen diese beim Käufer nicht an. Für szenische Filmer mag ein großer Sensor durchaus geeigneter sein und für Action-Cam-Käufer kann die Kamera nicht klein genug werden.



Doch diesen Trends könnten auch die Camcorder-Hersteller entgegenwirken. So könnten noch viele Camcorder-Vorteile in Action-Cams wandern (die übrigens nach Stückzahlen schon heute die klassischen Camcorder in den Verkaufslisten überholt haben). Und ebenso hat kein Hersteller bis dato einen technisch schlüssigen Großformat-Sensor-Camcorder im Consumer-Bereich vorgestellt.



Wir denken jedoch das ein Grundproblem darin besteht, dass aktive Benutzer eines guten FullHD-Camcorders momentan einfach keinen Grund sehen, sich ein neues Gerät zuzulegen. Denn wer vor 3-4 Jahren bereits beim Kauf sorgfältig ausgewählt hat, bekommt heute kaum mehr geboten. WLAN oder NFC, ja selbst Sonys neuer Bildstabilisator sind für viele Anwender nicht zwingende Gründe, ein funktionierendes Gerät zu ersetzen.



Und genau hier sind die Camcorder-Hersteller gefragt. Denn was der Consumer-Camcorder-Markt jetzt und heute braucht, ist Innovation die zum Neukauf bewegt. Das könnte 4K sein. Denn gerade für Familienaufnahmen kauft man lieber gleich ein Videoformat das eine gewisse Zukunftssicherheit verspricht, wenn die erwachsenen Enkel ihren Kinder-Videofilm in zwei Dekaden sehen wollen. Doch bei 4K scheint man diesen wichtigen Markt der Early Adopters den Smartphones und vielleicht sogar den Fotoapparaten zu überlassen. Eine Sony FDR-AX1E kaufen solche Leute für ihre Urlaubsvideos nicht.



Auch ein großer Sensor im Camcorder Gehäuse – technisch vernünftig gemacht – fände im 1.000 Euro Bereich sicherlich haufenweise Käufer. Doch obwohl dieser Trend seit 5 Jahren besteht, hat sich noch kein Hersteller ernsthaft an das Thema gewagt (Sonys VG-10 und die Nachfolger zeigen dagegen wie man ein Produkt hier total am Markt und den Anwenderwünschen vorbei entwickelt hat).



Denkbar wären aber aber auch viele andere, nicht ganz so naheliegende Ansätze, beispielsweise die Erzeugung eines Pixel Z-Puffers ala Lytro/Kinect (3D-Camcorder könnten hiermit ihren zweiten Frühling erleben). So ließe sich das Bokeh nachträglich digital hinzurechnen. Oder ein eingebauter Speedbooster. Oder im Gehäuse integrierte Brushless Gimbals. Oder einfach nur banal: Externe, frei belegbare Schalter.





Die ultimative Rettung für die Gattung wäre jedoch mit Sicherheit die Modularität. Sucher, Display, externe Knöpfe, 2K oder 4K-Body, Wechseloptik oder Fixoptik-Body, XLR, Griffhalterung? Alles frei kombinierbar und bei Bedarf in verschiedenen Versionen und Preislagen nachkaufbar und upgradebar. Über die Body-Grenzen hinweg. Dies würde einen massiven Zubehörmarkt schaffen und viele Anwender an eine Marke binden. Statt einer kompletten Neuinvestition (die bekanntlicherweise auch bei der Konkurrenz stattfinden kann) würden viele Nachinvestitionen gefördert werden, wobei zusätzlich das Konzept der Nachhaltigkeit vermitteln würde. Umgekehrt würde man sicherlich leichter einen neuen Body kaufen, wenn man schon ein kompatibles Display und XLR-Anschlüsse dieses Herstellers als Modul besitzt. Bei Smartphones ist so ein Ansatz praktisch nicht denkbar, bei Camcordern wäre es ziemlich sicher die Rettung einer vom aussterben bedrohten Art. Wir würden diesen Schritt jedenfalls stark begrüßen.


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